Katja Ebert Krüdener, Das Sehen sehen

Katja Ebert-Krüdener: Das Sehen Sehen
28.Juni – 29. August 2015

Die Art- Galerie Siegen präsentiert ab dem 28. Juni 2015:
Katja Ebert-Krüdener: das Sehen sehen

Die Ausstellungseröffnung findet am:
Sonntag, den 28. Juni 2015, um 11.00 Uhr in der Art Galerie, Fürst-Johann-Moritz- Straße 1, 57072 Siegen statt.

Das Sehen sehen“, so lautet der Titel der Ausstellung, die am Sonntag, den 28.6. 2015 um 11 Uhr in den Galerieräumen der Art-Galerie Siegen eröffnet wird. Bei dem Titel handelt es sich keineswegs um eine versehentliche Wortwiederholung (Reduplikation), vielmehr geht es darum, dass wir uns als Betrachter unseren eigenen Sehvorgang bewusst machen und unsere Wahrnehmung hinterfragen:
Was sehen wir wirklich? Was steckt hinter den Dingen, hinter dem Offensichtlichen? Können wir erkennen, was faktisch vorhanden ist, ohne zu interpretieren?
Die studierte Physikerin und Malerin Katja Ebert-Krüdener experimentiert mit Farbwerten. Ihr Interesse gilt gleichermaßen der Farbe in ihrer physischen bzw. physikalischen Natur wie auch ihrem emotionalen Potential. Dem malerischen Prozess liegt dabei die Frage hinsichtlich dessen zugrunde, was Farbe für unser Sehen, Erleben und Dasein leisten kann.

Die Farbkompositionen lassen sich durch eine vollkommen gegenstandsfreie Gestaltungsweise charakterisieren, die durch die Interaktion von Linie, Fläche, Farbe und Bildraum bestimmt wird.
Ebert-Krüdener setzt dem sichtbaren Duktus des Pinsels und dem zarten Farbverlauf der transparenten Aquarellfarben die opake Farbwirkung scharfkantiger Farbkarten und Tapes entgegen. Die Malerin erweist sich dabei als feinsinnige Koloristin, deren Handhabung der Farbmaterie durch große Verantwortung gekennzeichnet ist. Ihr Vertrauen in die Autonomie der Farbe ist dabei so stark ausgeprägt, dass ihre sublime Farbfeldmalerei auch im kleinen Format bestehen kann.
Aus dem Spannungsfeld der gestischen und konstruktiven Elemente entstehen Bilder, die die konventionelle Sichtweise des Bildraums gezielt unterlaufen und zu visueller Kontemplation einladen.

Als Lieblingszitat aus der Kunstgeschichte nennt Katja Ebert-Krüdener die Tagebuchnotiz von Klee:
„Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiß das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.“ (Paul Klee April 1914)

Sie wurde 1966 in München geboren. Sie studierte Chemie, Physik, Psychologie und Kunstpädagogik in Würzburg und Gießen und Freie Malerei an der Europäischen Kunstakademie Trier. Seit 2014 ist sie Mitglied im Oberhessischen Künstlerbund (OKB). Derzeit wohnt sie in Heuchelheim bei Gießen.

Mehr Informationen über die Künstlerin.

Danke für die schöne Eröffnung

Art Galerie Siegen
Katja Ebert-Krüdener: Das Sehen Sehen
28. Juni bis zum 29. Auguust 2015
Vernissage: Sonntag, 28. Juni,  11.00 Uhr
Zur Eröffnung sprach Stefanie Scheit-Koppitz M.A.

Eröffnungsrede und Vernissage

Keine Angst vor Rot, Gelb, Blau

Die Ausstellung „Das Sehen Sehen“ von Katja Ebert-Krüdener stellt uns eine Malerin vor, die ihre Kunst ganz der Erforschung und Wahrnehmung der Farbe verschrieben hat. Tatsächlich konzentriert sich das künstlerische Schaffen von Ebert-Krüdener auf gegenstandsfreie, abstrakte Farbbilder in unterschiedlichen Medien und Materialien. Die Künstlerin arbeitet beispielsweise in Aquarell, Gouache oder Acryl auf Papier, Leinwand und Holz. Daneben fertigt Ebert-Krüdener strenge, schwarz-weiße Grafiken mit Tinte und Bleistift an, es entstehen auch farbige Grafiken mit Buntstift. Zudem arbeitet sie mit den Werkzeugen Computer und Fotokamera. Darüber hinaus gibt es in ihrem Werk die Werkgruppen „Klebestreifen Skizzen“ oder „Collagen“ – hier nimmt Ebert-Krüdener farbige Isolierbänder, die sie neben- und übereinander anordnet. Bisweilen greift die Künstlerin im Baumarkt zu vorgefertigten Farbkarten, die Sie in Form schneidet und zu eigenen Farbbildern montiert.

Die neue Ausstellung der Siegener Art-Galerie zeigt aus dieser spannenden Bandbreite ausgewählte Arbeiten in Aquarell und stellt eine neue Wandinstallation aus kleinformatigen Farberprobungen vor. Die Wandarbeit ist kein neues Terrain, das die Malerin betritt, ist hier jedoch in sehr eigenwilliger Form präsentiert. Erstmals fand Ebert-Krüdener bei der Hängung eine grün kolorierte Wand als Untergrund und damit als Bildträger vor – eine Herausforderung, die sie als Koloristin und Farbfeldmalerin annahm und beherzt umsetzte.

Die autonome Farbe

Alle gezeigten Werke Ebert-Krüdeners widmen sich der Farbe als autonomem und bildkonstituierendem Element. Jedes einzelne Bild lässt sich zunächst als Wahrnehmungsstudie von Farben, Farbwerten und ihrem Zusammenspiel als Farbharmonien oder Farbklängen auffassen.

Ebert-Krüdener reiht sich damit in die malerische Tradition der Koloristen und Farbfeldmaler ein. Um sich ganz auf die Farbe konzentrieren zu können entwickelten Maler der historischen Avantgarde wie beispielsweise Paul Klee oder sein Künstlerkollege Josef Albers zu Beginn des 20. Jahrhunderts, insbesondere während ihrer Lehrtätigkeit am Bauhaus, abstrakte Bildanordnungen als Gerüste für die autonom gesetzten malerischen Farbwerte; Klee erfand seine berühmten Wegenetze – auch in Auseinandersetzung mit Landschaft – Albers seine berühmten Quadrate. Einige Generationen später verdichteten Malerinnen und Maler den Bildaufbau auf elementare Rasterstrukturen, beispielsweise benutzte Agnes Martin – eine von Ebert-Krüdener sehr geschätzte Kollegin –Gitternetze, womit sie nicht nur auf die einfache Struktur rekurrierte, sondern zugleich auf eine uns in der Alltagswelt überall umgebende Elementarform. Oder Bridget Riley, die andere Grand Dame der Farbfeldmalerei, die u.a. senkrechte Streifenanordnungen gebraucht, um das Wahrnehmungspotential der Farben auszuloten.

Ziel ist bei all den genannten Vorläufern und so auch bei Katja Ebert-Krüdener, die Farbe nicht nur vom Gegenstand, von der Figur, sondern zugleich von dominierenden Flächenformen zu entbinden, damit sie möglichst frei ihre Wirkkräfte entfalten kann.

Die Aquarelle im ersten Raum weisen relativ einfache geometrische Bildgerüste auf. Wir sehen u.a. Quadratfelder oder Rhomben, auch Streifenanordnungen sowie exakte Gitterstrukturen, vorgezeichnet mit zartem Bleistiftstrich, in die hinein Farbwerte gesetzt sind. Einige Farbkompositionen zeigen reiche Farbabstufungen in Rotorange, andere in Blauschwarz. Wieder andere zeigen ein Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Farbwerte, die über Nachbarschaften hinweg farbige Beziehungen eingehen: Komplementärfarben, die sich steigern, Kalt-Warmkontraste, die die Bildflächen zum Glühen bringen. Wir folgen mit den Augen Farbklängen, die sich zu Akkorden verbünden und das Auge innerhalb des Bildrasters hin und her wandern, gar hüpfen lassen. Noch dazu ergibt sich aus den transparenten Überlagerungen von jeweils zwei geschichteten Pinselstrichen eine gewisse Tiefenwirkung.

Im nächsten Raum sehen wir diese innerbildlichen Farb-Raumbezüge verstärkt. Die Aquarelle zeigen teils breitere, teils längere Pinselstriche. Auch überlagern sich die länglichen Farbflächen kreuzweise. Zudem wirken die transparenten Farbfelder weniger homogen. Es gibt Wassereinsprengsel, Farbakkumulationen und sichtbare Pinselspuren. Als Kontrapunkte zur reinen, transluzenten Aquarellfarbe fungieren farbige Klebestreifen. Diese eincollagierten, industriell produzierten und opaken Farbstreifen bzw. Farbfelder treten in ein spannungsreiches Kräftespiel mit der Malerei.

Bei den kleinformatigen, ungerahmten Kompositionen der Wandarbeit im ersten Raum tritt das Element der Form gleichberechtigt neben das der Farbe. Die Blätter wagen variantenreichere, abstrakte lineare Kompositionen, innerhalb derer die Farbe ihre Wirkkräfte entfalten darf. Wenngleich hier die Flächenunterteilungen ihr Eigenleben führen und isoliert stehende, schlichte geometrische Formationen erprobt werden. Als Gesamtinstallation lassen diese Farberprobungen noch einmal auf übergeordneter Ebene dynamische Farbbeziehungen aufleuchten.

Das emotionale Potential der Farbe

Der Ausstellung ist ein sehr bekanntes, literarisches Zitat von Paul Klee aus dem Jahr 1914 vorangestellt: „Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiß das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler“.

Klee machte auf der berühmten Tunisreise, die er zusammen mit seinen Kollegen August Macke und Louis Moilliet unternahm eine tief beglückende Erfahrung. In der Formulierung „Ich und die Farbe sind eins“ teilt sich mehr mit, als nur die Aussage, ein Lebensthema gefunden zu haben. Hier wird ein Erlebnis einer Einheitserfahrung beschrieben.

Katja Ebert-Krüdener empfindet ähnlich, die Auseinandersetzung mit Malerei, insbesondere mit Farbe, ist ihr Lebensthema und ihre persönliche Bestimmung. Der Philosoph Dirk Koppelberg hat sie in diesem Zusammenhang sehr treffend in Anlehnung an Musil eine „taghelle Mystikerin“ genannt. Denn bei der Art von Farbfeldmalerei, wie sie Ebert-Krüdener betreibt, geht es um das Festhalten von Empfindungen und Erfahrungen, die sich der Sprache entziehen. Ebert-Krüdener vertritt die Position der Farbfeldmalerei, die neben das formale Farb- und Formexperiment einen emotionalen Inhalt stellt. Dieser Inhalt – nennen wir es in Anlehnung an Barnett Newman „das Sublime“ – teilt sich den Betrachtenden nur im Zustand der Ruhe und Konzentration mit. Wir müssen still werden, in die Betrachtung der Bilder versinken, die Farben auf uns wirken lassen. Wir müssen uns einlassen auf das Unaussprechliche, was die Bilder, die Farben, für uns bergen. Lassen sie uns jetzt damit beginnen!

Stefanie Scheit-Koppitz

Redemanuskript zur Ausstellungseröffnung von „Katja Ebert-Krüdener. Das Sehen Sehen“ am 28.6.2015 in der Art-Galerie in Siegen.